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Muss der Nachbar überwachsende Pflanzen hinnehmen?

Im vorliegenden Fall klagten die Eigentümer eines Gartengrundstücks ihren Nachbarn. Dabei handelte es sich um die dortige Gemeinde, die auf ihrem Grundstück eine Hecke aus Wildsträuchern an die Grenze gepflanzt hatte. In der Zwischenzeit war diese etwa drei bis vier Meter hoch gewachsen und besonders der Schlehdorn bereitete den Nachbarn Probleme. Neben einem massiven Überhang der Äste, waren es vor allem die vielen Wurzelausläufer, die sich auch auf dem Grundstück der Nachbarn ausbreiteten und kaum zu bekämpfen waren. Auch einfache Selbsthilfemaßnahmen wie ein Abhacken und Ausgraben halfen nichts gegen die überwachsenden Pflanzen. Denn genetisch bedingt wächst Schlehdorn immer wieder nach.

Die Nachbarn zogen daher vor Gericht, um zu erreichen, dass die Gemeinde den Schlehdornbewuchs künftig unterlässt. Außerdem sollten die überwachsenden Pflanzen samt aller Jungtriebe vom Nachbargrundstück entfernt und die Rasenfläche neu kultiviert werden.

Das Gericht wies die Klage in erster Instanz ab, da eine Schlehdornhecke ortsüblich sei. Das Berufungsgericht änderte das Urteil jedoch ab und gab der Klage statt, da es sich um eine unzulässige „unmittelbare Zuleitung“ auf das Grundstück handeln würde. Diese sei jedenfalls zu beseitigen.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hingegen folgte der Revision der Gemeinde.

Überwuchs von Ästen und Wurzeln kann grundsätzlich nicht untersagt werden

In seiner Entscheidung betonte der OGH, dass zwischen den überwachsenden Ästen und den Wurzeln zu unterscheiden sei. Ein solcher Überhang durch Äste vom Nachbargrundstück ist durch die Grundstückseigentümer entweder zu dulden oder selbst zu entfernen. Eine konkrete Gefahr, dass Personen- oder Sachschäden eintreten, sei im vorliegenden Fall nicht vorhanden.

Bezüglich der Wurzeltriebe unterstrich der OGH einmal mehr, dass grundsätzlich das Herüberwachsen von Ästen und Wurzeln über die Grundstücksgrenze nicht untersagt werden kann. In Ausnahmefällen stellen hereinragende Pflanzen jedoch eine sogenannte „unmittelbare Zuleitung“ dar, wodurch man als Grundstückseigentümer einen Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung  hat. Dieser Ausnahmefall tritt jedoch nur unter zwei strengen Voraussetzungen ein: entweder wenn es durch die Pflanzenteile zu einem gefährlichen Zustand kommt oder diese Beeinträchtigung die ortsübliche Nutzung des Grundstückes unzumutbar macht.

Da zu all diesen Punkten im vorliegenden Fall keine ausreichenden Feststellungen durch die Vorinstanzen getroffen wurden, wurde der Fall zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Die gesamte Entscheidung 10Ob22/21i

UNSERE TIPPS VOM RECHTSANWALT:
Was man gegen überwachsende Pflanzen unternehmen darf: 

 

Selbsthilfe ist erwünscht
  • Einmal mehr hat der OGH in dieser Entscheidung festgehalten, dass das erste Mittel bei überwachsenden Ästen die Selbsthilfe ist. Jeder Eigentümer hat demnach das Recht die auf seinen Grund eindringenden Wurzeln aus seinem Boden zu entfernen und die über seinen Luftraum hängenden Äste abzuschneiden. Die Kosten hierfür hat er jedoch selbst zu tragen. 
  • Ausnahmen sind, wenn es zu einer unzumutbaren Zuleitung auf das eigene Grundstück kommt oder die ortsübliche Nutzung unzumutbar gemacht wird. Wann dies der Fall ist, muss im Einzelfall entschieden werden.

Weitere Fragen zu diesem Themenbereich werden auch im Blogartikel „Nachbar kämpft gegen Fichtenhecke“ beantwortet.

Diese Auskünfte sind allgemein und unverbindlich. Viele zusätzliche Details können im Einzelfall zu einer anderen Antwort führen. Sollten Sie Informationen zu einem konkret vorliegenden Fall wünschen, beraten wir Sie gerne ausführlich in unserer Kanzlei.

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Bildnachweis: Pixabay, CCO