In der anwaltlichen Praxis als Vertreter etlicher Gemeinden fällt auf: Immer häufiger landen Gemeinden oder gar Bürgermeister persönlich vor Gericht, wenn es zu Verletzungen oder sonstigen Schäden von Bürgern kommt. Ein Steinschlag auf einem Wanderweg, ein Fischbiss im Badeteich oder verletzte Erwachsene am Kinderspielplatz sind nur einige Beispiele. Im vorliegenden Fall hatte der Oberste Gerichtshof (OGH) kürzlich über die Haftung einer Gemeinde für die Verletzungen eines gestürzten E-Bike-Fahrers auf einem Gemeindeweg zu entscheiden.
Die beiden Vorinstanzen gaben der Gemeinde die überwiegende Schuld am Radunfall, da an dem von Radfahrern viel befahrenen Verbindungsweg eine 8 cm tiefe Bodenwelle war, von der man bereits seit längerem wusste und sie dennoch nicht reparierte. Dieser Verbindungsweg war auch Teil eines beschilderten und beworbenen Radrundweges, der Fahrradtourismus spielt in der betroffenen Gemeinde eine große Rolle. Die aufgestellten Warnschilder seien hier daher nicht ausreichend gewesen.
Sanierung hätte Jahresbudget gekostet
Anders jedoch urteilte der Oberste Gerichtshof.
Föhnstürme hatten ein halbes Jahr zuvor massive Schäden verursacht. Die Schlägerung mehrerer tausend Festmeter Holz und damit das Befahren des Weges mit schweren Lkw war die Folge. Die Sanierung der dadurch entstandenen Schäden am Weg hätte einen Großteil des insgesamt zur Verfügung stehenden jährlichen Budgets für Straßenerhaltung aufgebraucht. Sie sei daher der Gemeinde nicht zumutbar gewesen. Jedoch hätte man, wie dies auch nach dem Radunfall passierte, eine provisorische Sanierung durchführen können, die nur rund € 1.000,– gekostet hätte. Die Gemeinde hat daher auch nach Sicht des Obersten Gerichtshofes eine Handlung unterlassen, die ihr zumutbar war und die Gefahrenstelle entschärft hätte.
Warnschilder bewahrten Gemeinde vor Haftung
Die für eine Haftung notwendige grobe Fahrlässigkeit sah der Oberste Gerichtshof allerdings anders als die Vorinstanzen nicht. Denn die Gemeinde blieb ja nicht untätig und hat in beiden Fahrtrichtungen mit Schildern vor der Gefahrenstelle gewarnt. Diese hatte der Radfahrer nur deshalb nicht gesehen, weil er vor der Gefahrenstelle vom vorgesehenen Weg abfuhr. Eine grobe Schuld der Gemeinde als Wegehalter erkannte der OGH daher nicht und wies die Klage des verletzten Radfahrers ab.
Die gesamte Entscheidung 2Ob218/20b
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